Offener Brief an Herrn Oberbürgermeister Dr. Wolfgang Schuster
Angesichts der anstehenden Beratungen und Beschlussfassungen über den Flächennutzungsplan, auf den die Bebauungspläne zur Parlerstraße/Am Tazzelwurm wie auch zur Thomastraße aufbauen werden, erfolgte ein weiterer Appell an die Entscheidungsträger der Stadt über Herrn Oberbürgermeister Dr. Wolfgang Schuster:

"Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Dr. Schuster,

ich erlaube mir, mich persönlich, aber auch als Vertreter einer Bürgerinitiative, der sich 450 Bürger angeschlossen haben, direkt an Sie zu wenden. Es besteht der Wunsch, dass die Stadt Stuttgart von einer Bebauung der Grünflächen Ecke Parlerstraße/Tazzelwurm absieht.

Wir wissen alle, dass es sich um Grünflächen handelt, die der Feuerbacher Heide zuzurechnen und seit Generationen durch die zuständigen Gremien der Stadt Stuttgart in Bebauungs- und Flächennutzungsplänen als Grünflächen geschützt wurden.

Wir wissen auch, dass es keine Idee der Bürger war, die sich der Initiative angeschlossen haben, die Bedeutung der Fläche für das Stadtklima hervorzuheben, sondern dass die Stadt selbst die Mechanismen der Kaltluftentstehung und der Belüftung der Innenstadt – vorbildlich – wissenschaftlich untersuchen ließ, und es vornehmste Angelegenheit des Amtes für Umweltschutz der Stadt Stuttgart selbst war und ist, über diese - alle Bürger, also auch die in Stuttgart selbst lebenden und arbeitenden Amtsträger - betreffenden Fakten zu informieren und sie in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu bringen.

Die Zahl und die Namen der Mitglieder der Bürgerinitiative zeigen Ihnen auch, dass es nicht um Befindlichkeiten einzelner Anwohner geht, die befürchten, ihre angeblich schöne Aussicht zu verlieren – wenn Sie die Örtlichkeiten ansehen, ist leicht zu bemerken, dass dieses Argument von dritter Seite vorgeschoben wurde, um die Debatte zu emotionalisieren. Richtig ist allerdings, dass die Aussicht vom Bonatzweg selbst von Feuerbach bis zum Wirttemberg in der Tat für die Spaziergänger außergewöhnlich ist und bleiben sollte.

Die Bebauung des Gebietes wurde von der Stadtverwaltung zu einem Zeitpunkt ins Auge gefasst, als es um die Finanzierung der neuen Fildermesse ging. Zwischenzeitlich wurde nicht nur die neue Messe in Betrieb genommen, sondern auch deren Finanzierung abgeschlossen – positiv und ohne auf Mittel aus Grünflächenumwandlungen zurückgreifen zu müssen.
Ihrem Bürgerrundschreiben „Stuttgart 21“, das Sie in diesen Tagen versandt haben, entnehme ich zudem, dass auch das Projekt Stuttgart 21 zu keiner wesentlichen Belastung des städtischen Haushaltes führt und bis zur Fertigstellung im Jahre 2020 weniger als 1 % des Haushaltes bildet. Die Stadt habe im Jahre 2007 mehr Geld eingenommen als geplant und sogar Rücklagen bilden können.
Ich gehe deshalb davon aus, dass etwaige Erlöse aus dem beabsichtigten Verkauf der städtischen Flächen Ecke Parlerstraße/Tazzelwurm für den städtischen Haushalt keine Rolle mehr spielen.

Das Argument, die Stadt müsste hochwertige Baugrundstücke anbieten, scheint auch deshalb in diesem Fall ein wenig vorgeschoben vor dem offenkundigen Interesse, für den Haushalt weiteren außergewöhnlichen finanziellen Spielraum zu generieren. Denn die sechs Bauplätze würden wohl nur von einigen wenigen Bürgern erworben und individuell genutzt werden können.
Dafür wertvolle Grünflächen und ein Stück Klimaqualität der gesamten Stadt zu opfern, lohnt sich wirklich nicht.

Die aus Befürworterkreisen zu hörende Forderung, es sei Seitens der Stadt „unbedingt notwendig“, weitere Bauflächen zur Verfügung zu stellen und eine verdichtete Bebauung herbeizuführen, wird derzeit schon mit dem Projekt Stuttgart 21 eindrucksvoll umgesetzt. Umgekehrt bedeutet dieses Projekt aber auch eine umweltpolitische Herausforderung, die zur Feinstaubproblematik der Innenstadt noch hinzukommt. Nutzen Sie die Chance, hier Ihr umweltpolitisches Gespür und Profil zu schärfen, und zeigen Sie uns bitte, dass nicht Lippenbekenntnisse, sondern verantwortlicher Gesundheitsschutz der Bürger Priorität vor dem Stadtsäckel hat.

Die Attraktivität von Stuttgart ist nicht nur seiner gesunden Wirtschaft zu verdanken, sondern auch seinen Grünflächen, seiner einmaligen Lage und seiner Lebensqualität, die durch den unveränderbaren Talkessel und seine Luftbelastung am stärksten gefährdet wird. Wer weitere und vermeidbare Abstriche an der Luftqualität in Kauf nimmt, sägt damit letztlich am schwächsten Bein des Stuhls, auf dem Stuttgart sitzt.

Ich möchte Sie daher bitten, sich dafür einzusetzen, dass von dem beabsichtigten Flächennutzungsplan und Bebauungsplan in der derzeit ins Auge gefassten Form Abstand genommen und die Pläne entsprechend modifiziert werden.

Die Bürger, die die Feuerbacher Heide als Naherholungsgebiet nutzen, werden Ihnen dies danken, alle anderen davon profitieren.

gez. Dr. Volker Grub"


(Der Brief ist als pdf-Datei über diesen Link abrufbar).


Der "Bauplatz":